Wie kann ich Pflichtteilsansprüche reduzieren?
Mann kann die gesetzlichen Erben zwar enterben, in vielen Fällen stehen ihnen aber dennoch Pflichtteilsansprüche zu. Viele Menschen, die ihre Angehörigen enterben, möchten aber, dass die Enterbten nach ihrem Tod so wenig wie möglich bekommen. Man muss also versuchen, die Pflichtteilsansprüche zu reduzieren. Um das zu erreichen, gibt es, je nach konkreter Situation, verschiedene Möglichkeiten. In jedem Fall aber muss man schon zu Lebzeiten tätig werden. Die gängigsten Möglichkeiten habe ich in diesem Artikel zusammengefasst; welches Vorgehen tatsächlich Sinn macht, ist immer eine Frage des Einzelfalles.
Wie das mit dem Enterben funktioniert, wem dennoch Pflichtteilsansprüche zustehen und was ein Pflichtteilsanspruch überhaupt ist, habe ich in diesem Beitrag erklärt.
I. Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag
Die einfachste Möglichkeit, einen Pflichtteilsanspruch sogar ganz zu vermeiden, ist ein Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag. In diesem Vertrag verzichtet der Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Erblasser auf seinen Erb- und Pflichtteil; im Gegenzug zahlt der Erblasser ihm üblicherweise einen vorher vereinbarten Geldbetrag.
II. Hausübertragung durch (gemischte) Schenkung
Ist eine Immobilie (oder andere wertvolle Sachwerte) vorhanden, sollte man in Erwägung ziehen, die Immobilie bereits zu Lebzeiten an denjenigen zu übertragen, der sie später einmal erben soll. Die Schnkungen können aber auch an einen unbeteiligten Dritten erfolgen. Die Übetragung kann durch eine Schenkung (Übertragung ohne Gegenleistung) oder durch eine gemischte Schenkung (es werden Gegenleistungen vereinbart, die allerdings nicht dem vollständigen Wert der Immobilie entsprechen) erfolgen.
a) Schenkung
Wird die Immobilie im Wege der Schenkung übertragen, also ohne Gegenleistung, kann der Pflichtteilsberechtigte allerdings noch 10 Jahre nach erfolgter Schenkung sog. Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen. Bei den Pflichtteilsergänzungsansprüchen wird ein bestimmter Wert des verschenkten Gegenstandes fiktiv zum Nachlass hinzugerechnet. Allerdings reduziert sich der hinzuzurechnende Teil jedes Jahr um 10 %, und nach Ablauf von 10 Jahren nach der Schenkung wird der verschenkte Gegenstand gar nicht mehr berücksichtigt (sog. Abschmelzung).
Beispiel anhand einer Immobilie:
Der Erblasser hat eine Immobilie im Wert von Euro 325.000,00. Er ist verwitwet und hat einen Sohn und eine Tochter. Die Tochter wurde enterbt. In dieser Konstellation hätte die Tochter einen gesetzlichen Erbteil von 1/2, der Pflichtteilsanspruch beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, also 1/4.
Der Erblasser schenkt seinem Sohn nun am 30.06.2021 seine Immobilie. Der Erblasser stirbt im Juli 2026. Damit sind zwischen Schenkung und Tod des Erblassers fünf volle Jahre vergangen. Zur Berechnung des Pflichtteils sind damit nur noch 50 % des Immobilienwertes, also Euro 162.500, relevant.
Was das finanziell für einen Unterschied macht? Ganz einfach:
Bleibt das Haus bis zum Tode im Eigentum des Erblassers, beträgt der Pflichtteilsanspruch 1/4 des vollen Wertes, also 1/4 von Euro 325.000. Das macht einen Pflichtteilsanspruch von Euro 81.250.
Wurde das Haus fünf Jahre vor dem Tod an den Sohn übertragen, beträgt der Pflichtteilsanspruch nur noch 1/4 von Euro 162.500. Das macht einen Pflichtteilsanspruch von Euro 40.625.
Wichtig: Die sog. Abschmelzung tritt nur ein, wenn die Immobilie (oder andere Sachwerte) nicht an den eigenen Ehegatten übertragen werden. Bei Schenkungen an den eigenen Ehegatten beginnt die Abschmelzung nicht mit der Übertragung, sondern erst, wenn die Ehe aufgelöst wird, also bei Scheidung oder durch Tod.
Ebenfalls wichtig: Bei einer Schenkung darf in der Regel kein Nießbrauchsrecht an der Immobilie vereinbart werden, da bei einem Nießbrauchsrecht keine Abschmelzung erfolgt. Möglich ist grundsätzlich allerdings die Vereinbarung eines lebenslangen Wohnrechts, sofern das Wohnrecht nur an Teilen der Immobilie eingeräumt wird. Hier muss im Einzelfall eine genaue Prüfung erfolgen.
b) Gemischte Schenkung
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch wird nur für Schenkungen errechnet. Erhält der Erblasser im obigen Beispiel von seinem Sohn also zumindest teilweise eine Gegenleistung für die Immobilie, reduziert sich der Wert, der für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs anzusetzen ist. Man spricht hier von einer gemischten Schenkung, weil es teilweise eine Gegenleistung zum Wert des Hauses gibt und insoweit gerade keine Schenkung vorliegt.
Als mögliche Gegenleistung kommt zum Einen die Zahlung eines Geldbetrages in Betracht, zum anderen auch die Vereinbarung von Pflegeleistungen. Dieser Punkt ist bei der Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen besonders interessant, da hier dem Vermögen des Erblassers nicht wieder etwas zugeführt wird. Konkret: Würde der Beschenkte als Gegenleistung für die Immobilie Geld bezahlen, wäre ja wieder Geld vorhanden, das bei der Berechnung des Pflichtteils zur berücksichtigen wäre.
Verpflichtet sich der Beschenkte aber gegenüber dem Erblasser, Pflegeleistungen zu erbringen, hat der Erblasser keinen Vermögenszuwachs, erhält aber dennoch etwas Werthaltiges als Gegenleistung für die Immobilie.
Weiter kommen als Gegenleistung prinzipiell auch die Führung des Haushalts oder die Vermögensverwaltung in Betracht.
III. Hausverkauf gegen Zahlung einer Leibrente
Es besteht die Möglichkeit, dass der Erblasser die Immobilie gegen Zahlung einer Leibrente auf den Sohn überträgt. Der Sohn verpflichtet sich bei der Übertragung im Gegenzug zur Zahlung einer (monatlich fälligen) Leibrente, die üblicherweise bis zum Tod des Verkäufers gezahlt wird.
Da hier eine Leibrente gezahlt wird, wird die Immobilie verkauft und nicht verschenkt, so dass durch die Übertragung der Immobilie keine Pflichtteilsergänzungsansprüche entstehen.
Vorteil dieser Methode, gerade, wenn der Erblasser schon sehr betagt ist, ist, dass unter Umständen nur für sehr kurze Zeit eine Leibrente zu zahlen ist. Der Erwerber der Immobilie zahlt also viel weniger, als die Immobilie wert ist, erhält aber das volle Eigentum daran, ohne hier Pflichtteilsansprüchen ausgesetzt zu sein.
Die Höhe der zu zahlenden Leibrente bestimmt sich dabei nach dem Alter des Verkäufers und dessen Lebenserwartung.
IV. Weitere Möglichkeiten zur Pflichtteilsreduzierung
Neben den gerade genannten gängigsten Methoden zur Reduzierung des Pflichtteils gibt es weitere Möglichkeiten, die, je nach individueller Situation, zum Einsatz kommen können.
a) Durch Adoption
Würde der Erblasser im obigen Beispiel noch jemanden adoptieren, würde sich der Pflichtteilsanspruch seiner Tochter reduzieren, da auch der/die Adoptierte durch die Adoption erb- und pflichtteilsberechtigt werden würde. Der gesetzliche Erbteil der Tochter würde von 1/2 auf auf 1/3 schrumpfen und der Pflichtteilsanspruch damit auf 1/6.
Dadurch würde natürlich auch das Erbe des Sohnes geschmälert, da das adoptierte Kind ebenfalls erb- bzw. pflichtteilsberechtigt wäre. Hier wäre ggf. über einen Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag mit dem/der Adoptierten nachzudenken.
b) Durch Heirat
Auch durch eine Heirat würde der Pflichtteil geschmälert werden, da der Ehegatte ein gesetzliches Erbrecht hat. Damit würde sich der gesetzliche Erbanspruch, und damit auch der Pflichtteilsanspruch reduzieren.
c) Durch Änderung des Güterstandes
Der Güterstand, in dem ein Ehepaar verheiratet ist, wirkt sich auf die Höhe des gesetzlichen Erbteils des Ehegatten aus und damit auch auf den gesetzlichen Erbteil und den Pflichtteil der Abkömmlinge. Hier kann ggf. durch eine Änderung des Güterstandes eine Reduzierung des Pflichtteils erreicht werden.
d) Durch Ausstattung
Ausstattung ist ein veralteter Begriff für bestimmte Schenkungen an die Kinder. Dabei handelt es sich um Zuwendungen, die aufgrund einer Heirat oder zur Erlangung bzw. Erhaltung einer selbständigen Lebensweise an die Kinder gemacht werden. Es handelt sich also um Schenkungen anlässlich der Hochzeit oder beispielsweise zur Einrichtung eines Geschäfts.
Der Umfang der Ausstattung muss allerdings angemessen sein im Verhältnis zu dem Vermögen der Eltern – die Schenkung des Hauses als Ausstattung wäre also nicht möglich, sondern würde als Schenkung eingestuft werden.
e) Durch „Flucht in das ausländische Erbrecht“
Nicht in allen Ländern und Rechtsordnungen werden nahe Angehörige im Rahmen des Erbrechts so geschützt wie in Deutschland. Es besteht also die Möglichkeit, indirekt das Erbrecht eines anderen Landes gelten zu lassen, beispielsweise, indem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt oder das Vermögen dorthin verlagert.
V. Fazit
Das deutsche Recht schützt die Abkömmlinge enorm, wenn es um das Erbe bzw. ihren Pflichtteilsanspruch geht. Dabei ist es egal, ob der Abkömmling dem Erblasser relativ nahe stand oder es seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr zwischen ihnen gab. Dennoch gibt es einige Gestaltungsmöglichkeiten, um den Pflichtteil zu reduzieren. Hier empfiehlt es sich allerdings, bereits frühzeitig mit der Planung und Gestaltung zu beginnen und sich unbedingt rechtlichen und steuerrechtlichen Rat einzuholen.