Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie beschlossen

 

Der Bundestag hat soeben in seiner heutigen Sitzung das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht beschlossen. Am Freitag muss noch der Bundesrat zustimmen. Ein Überblick über die getroffenen Regelungen:

I. Änderungen im Zivilrecht
1. Dauerschuldverhältnisse (außer Miet-, Pacht- und Darlehensverträge sowie Arbeitsverträge)
2. Mietrecht
3. Verbraucherdarlehensverträge
4. Verlängerungsmöglichkeit
II. Änderungen im Insolvenzrecht
III. Änderungen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht
IV. Änderungen im Strafverfahrensrecht

 

Änderungen im Zivilrecht

Im Zivilrecht erfolgt eine Anpassung für Verbraucher und Kleinstunternehmer. Kleinstunternehmer sind nach der europäischen Definition Unternehmen mit bis zu 9 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von bis zu 2 Millionen Euro. Die gesetzliche Regelung findet sich in Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB).

 

Erfüllung von Ansprüchen aus Dauerschuldverhältnissen (außer Miet-, Pacht- und Darlehensverträge sowie Arbeitsverträge)

Viele Verbraucher und Kleinstunternehmer können aufgrund der Corona-Krise ihre vertraglich geschuldeten Leistungen nicht mehr erbringen. Betroffenen Verbrauchern und Kleinstunternehmen, die ihre vertraglich geschuldete Leistung nicht erbringen können, soll ein Aufschub gewährt werden. Sie können die Leistung einstweilen verweigern/einstellen. Voraussetzung ist, dass sie die Leistung gerade aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht erbringen können. Der Aufschub gilt sowohl für Geldleistungen (z.B. Strom, Gas, Telekommunikation und, soweit zivilrechtlich geregelt, Wasser) als auch andere Leistungen.

Für Kleinstunternehmen besteht das Leistungsverweigerungsrecht im Hinblick auf alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse. Wesentlich sind solche Dauerschuldverhältnisse, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebs erforderlich sind (Pflichtversicherung, Strom, Gas, Telekommunikationsdienste und, soweit zivilrechtlich geregelt, Wasser).

Achtung: Das gilt nur für vor dem 08.03.2020 geschlossene Dauerschuldverhältnisse. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Verträge, die nach dem 08.03.2020 geschlossen wurden, in dem Bewusstsein geschlossen wurden, dass es aufgrund der Pandemie zu Leistungsproblemen kommen kann. In diesem Fall sind Verbraucher und Kleinstunternehmer nicht schutzwürdig.

Achtung: Von dieser gesetzlichen Regelung ausgenommen sind Miet-, Pacht- und Darlehensverträge sowie Arbeitsverträge.

Das Leistungsverweigerungsrecht gilt vorläufig bis 30.06.2020.

 

Mietrecht

Hier wird das Kündigungsrecht von Vermietern eingeschränkt. Dies gilt sowohl für Wohnraum als auch für Gewerberaum. Zwischen dem 01.04.2020 und dem 30.06.2020 dürfen Vermieter das Mietverhältnis nicht wegen Mietschulden kündigen, wenn die Mietschulden Voraussetzung ist, wenn die Miete aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht geleistet werden kann. Die Zahlungsverpflichtung der Mieter bleibt dennoch bestehen.

Wegen Mietschulden, die zwischen dem 01.04.2020 und dem 30.06.2020 entstanden sind, darf bis 30.06.2022 nicht gekündigt werden. Sind diese Mietschulden bis 30.06.2022 nicht ausgeglichen, darf ab diesem Zeitpunkt gemäß den bisherigen gesetzlichen Vorschriften das Mietverhältnis vom Vermieter gekündigt werden.

Achtung: Die Ausnahme gilt wirklich nur für Mietschulden, die zwischen dem 01.04.2020 und dem 30.06.2020 entstanden sind. Mietschulden, die vor oder nach diesem Zeitraum entstanden sind, sind nach aktueller Gesetzeslage nicht von der Einschränkung des Kündigungsrechts betroffen.

 

Verbraucherdarlehensverträge

Mit Artikel 240 § 3 EGBGB wurde eine gesetzliche Stundungsregelung und eine Vertragsanpassung nach Ablauf der Stundungsfrist eingeführt. Die Vertragsparteien können abweichend hiervon eigene Lösungen finden und vereinbaren. Zudem gibt es einen gesetzlichen Kündigungsschutz. Die Zinse- und Tilgungsleistungen werden mit Eintritt ihrer Fälligkeit für die Dauer von drei Monaten gestundet, wenn der Verbraucher aufgrund der COVID-19-Pandemie Einnahmeausfälle hat, so dass ihm die Zahlung nicht zumutbar ist. Die Regelungen gelten für Darlehensverträge, die vor dem 15.03.2020 abgeschlossen wurden.

Die neuen Regelungen können gemäß § 3 Absatz 8 im Wege der Verordnung auf weitere Gruppen von Darlehensnehmern erstreckt werden.

 

Verlängerungsmöglichkeit

Da aktuell nicht abzusehen ist, wie lange die Einschränkungen durch die Pandemie andauern werden, kann die Bundesregierung gemäß Artikel 240 § 4 EGBGB die oben genannten Maßnahmen im Wege einer Verordnung verlängern.

 

Änderungen im Insolvenzrecht

Sowohl Zahlungsverbote als auch die Insolvenzantragspflicht werden bis 30.09.2020 ausgesetzt, wenn die Insolvenz auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Dies allerdings nur, wenn Aussicht auf die Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit besteht. Bestand am 21.12.2019 keine Zahlungsunfähigkeit, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und dass Aussicht auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit besteht.

Zudem wird das Recht der Gläubiger, die Eröffnung der Insolvenz zu beantragen, für einen Übergangszeitraum von drei Monaten suspendiert. Der Eröffnungsgrund muss bereits am 01.03.2020 vorgelegen haben.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht als auch die Regelung zum Eröffnungsgrund bei Gläubigerinsolvenzanträgen können per Verordnung bis 31.03.2021 verlängert werden.

Die Regelungen finden sich im Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG).

 

Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht

Problematisch in diesem Bereich ist die Beschränkung der Versammlungsmöglichkeit. Viele Unternehmen müssen Versammlungen abhalten, um erforderliche Beschlüsse zu fassen und handlungsfähig zu bleiben. Daher werden vorübergehend Erleichterungen geschaffen. Diese gelten für die Durchführung von Gesellschafterversammlungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) und von General- und Vertreterversammlungen von Genossenschaften, Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften (AG), von Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA), von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (VVaG) und Europäischen Gesellschaften (SE) sowie für Mitgliederversammlungen von Vereinen.

Gesellschafterbeschlüsse der GmbH können in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen gefasst werden. Dafür wird vorübergehend abweichend von § 48 Abs. 2 GmbHG nicht das Einverständnis sämtlicher Gesellschafter benötigt.

Der Vorstand von AG, KGaA und SE kann nun auch ohne Satzungsermächtigung eine Online-Teilnahme an der Hauptversammlung ermöglichen. Es besteht die Möglichkeit einer präsenzlosen Hauptversammlung mit eingeschränkten Anfechtungsmöglichkeiten und die Möglichkeit der Verkürzung der Einberufungsfrist auf 21 Tage. Weiterhin wird der Vorstand ermächtigt, auch ohne Satzungsregelung Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn vorzunehmen. Die Hauptversammlung kann nun auch innerhalb des Geschäftsjahres durchgeführt werden. Damit wird die bisherige Achtmonatsfrist verlängert.

Für Genossenschaften und Vereine wird die Durchführung von „virtuellen“ Mitgliederversammlungen auch ohne ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage (also ohne entsprechende Satzungsregelung) ermöglicht werden. Außerdem wird die Beschlussfassung außerhalb von Versammlungen im sog. Umlaufverfahren erleichtert.

Für Genossenschaften, Vereine, Stiftungen und Wohnungseigentümergemeinschaften wurden Regelungen zum Fortbestand bestimmter Organstellungen getroffen. Für den Fall, dass diese Organstellungen ablaufen, bestehen diese vorübergehend fort, wenn keine neuen Organmitglieder bestellt werden können.

Der von Wohnungseigentümergemeinschaften zuletzt beschlossene Wirtschaftsplan gilt bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans fort. Der zuletzt bestellte Verwalter bleibt bis zu seiner Abberufung bzw. bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt.

Diese Regelungen betreffen vorläufig nur das Jahr 2020. Sie können durch Verordnung bis 31.12.2012 verlängert werden, wenn dies weiterhin aufgrund der COVID-19-Pandemie erforderlich sein sollte.

Die Regelungen finden sich im Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie.

 

Änderungen im Strafverfahrensrecht

Für die Unterbrechungsfrist einer strafgerichtlichen Hauptverhandlung wird ein weiterer Hemmungstatbestand eingeführt. Dieser findet sich in § 10 des Einführungsgesetzes zur Strafprozessordnung und ist auf ein Jahr befristet. Demnach ist es den Gerichten erlaubt, die Hauptverhandlung für maximal zwei Monate und zehn Tage zu unterbrechen, wenn diese aufgrund von Maßnahmen zur Vermeidung der Verbreitung der COVID-19-Pandemie nicht durchgeführt werden kann.