Urteil des EuGH – Verbraucherkredite größtenteils widerrufbar

 

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem bahnbrechenden Urteil (Az. C-66/19) die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der letzten Jahre zum Widerrufsrecht nahezu vollständig zu Fall gebracht.

 

Die Entscheidung des EuGH

Nahezu alle Banken nutzen seit 11.06.2010 zur Widerrufsbelehrung bei Verbraucherkreditverträgen eine Belehrung, bei dem sich der Verbraucher durch eine Paragraphenkette arbeiten musste, um überhaupt den Beginn der Widerrufsfrist in Erfahrung zu bringen.

In seinem wegweisenden Urteil hat der EuGH deutlich gemacht, dass Verbraucherkreditverträge die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist in klarer und prägnanter Form angeben müssen. Diesen Anforderungen genügte die Widerrufsbelehrung nicht.

Der EuGH hatte konkret über eine Widerrufsbelehrung in einem Immobiliardarlehensvertrag mit folgendem Inhalt zu entscheiden: Die Widerrufsfrist beginnt nach Abschluss des Vertrages zu laufen, jedoch erst, wenn der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat. Problematisch aus Sicht des EuGH ist hier, dass § 492 Abs. 2 BGB wiederum auf Artikel 247 §§ 6 bis 13 EGBGB verweist. Und diese Paragraphen verweisen teilweise erneut – zurück in das BGB.

 

Betrifft das auch meinen Kredit?

Diese Beschreibung des Fristbeginns findet sich nach meinem Kenntnisstand in allen seit 11.06.2010 erteilten Widerrufsbelehrungen zu Darlehensverträgen – gleichgültig, welche Bank kreditgebend ist. Und egal, um welche Art von Kredit es sich handelt.

Damit können Millionen deutscher Verbraucherkreditverträge, seien es Immobilienkredite, Kredite für Kleingeräte wie Fernseher und Waschmaschine oder Kredite für Autos, widerrufen werden.

 

Warum widerrufen?

Viele der alten Kredite wurden zu vergleichsweise hohen Zinsen abgeschlossen. Mit einem Widerruf können Sie sich von dem alten Vertrag in der Regel ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung lösen und/oder auf niedrigere Sollzinsen umschulden.

 

Widerruf sog. verbundener Verträge

Der Widerruf ist die große Chance, sich vom Kreditvertrag UND von dem mit dem Kredit erworbenen Gegenstand zu lösen – zum Beispiel, wenn Sie ihr Dieselfahrzeug finanziert haben.

Hintergrund: Bereitet das verkaufende Autohaus den Kreditvertrag vor, verwendet es die von der Bank bereitgestellten Formulare und schließt es letztendlich den Vertrag mit Ihnen ab, wird das Autohaus zum Darlehensvermittler. Die Folge: Durch den Widerruf des Kredits können Sie sich auch von dem Kaufvertrag für das Auto lösen.

Sie müssen keine weiteren Raten zahlen, die Bank muss alle bereits gezahlten Raten und Sonderzahlungen erstatten und Sie müssen keine Nutzungsentschädigung zahlen. Lediglich die vertraglich vereinbarten Zinsen darf die Bank behalten.

 

Gibt es einen Haken?

Jein. Bisher ging der BGH davon aus, dass das EU-Recht nicht auf Widerrufsfragen für Immobilienfinanzierungen anwendbar sei. Ob er diese Ansicht allerdings weiterhin aufrecht halten kann, scheint zweifelhaft.