Kurios – Urteil in Reimform

Das Arbeitsgericht Detmold musste über eine Klage aus dem Jahr 2007 entscheiden und nahm die Klage zum Anlass, das Urteil in Reimform zu begründen.

Der Arbeitgeber, Inhaber eines Spielbarbetriebes, hatte einer Mitarbeiterin gekündigt und im auf die Kündigung folgenden Prozess erklärt, er habe ihr unter anderem deshalb gekündigt, weil sie nach Dienstschluss auf dem Barhocker mehrfach – laut Zeugenaussagen – masturbiert haben soll. Um ihren Ruf nicht zu schädigen, hat er offiziell jedoch einen anderen Kündigungsgrund genannt. Die Mitarbeiterin klagte vor dem Arbeitsgericht Detmold gegen die Kündigung; vor Gericht einigten sich die Parteien, der Arbeitsvertrag wurde aufgehoben und die Mitarbeiterin erhielt eine Abfindung.

Das reichte der ehemaligen Mitarbeitern jedoch nicht; vielmehr erhob sie erneut Klage vor dem Arbeitsgericht Detmold (Az. 3 Ca 842/07), diesmal auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von Euro 3.000 sowie auf Unterlassung, weiterhin zu behaupten, dass sie mehrfach sexuelle Handlungen nach Dienstschluss vorgenommen habe. Zudem sollte für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von Euro 250.000 bzw. 6 Monate Ordnungshaft angedroht werden. Das Gericht hat die Klage mit der folgenden Begründung abgelehnt:

Die Klage – wie die Kammer findet – ist vollumfänglich unbegründet.

1.
Auch wenn’s der Klägerin missfällt:
es gibt für sie kein Schmerzensgeld;
denn der Beklagte durfte hier
sich äußern, wie er’s tat. Dafür
gilt dies hier nur in den Verfahren –
sonst darf er auch nichts offenbaren.
Er hat – um auf den Punkt zu kommen –
insoweit etwas wahrgenommen,
was der, der die Gesetze kennt
„berechtigtes Interesse“ nennt.

Zwar könnte man zu Recht hier fragen:
darf man denn einfach etwas sagen,
wenn man es nur von anderen hört
und dies, wen es betrifft, empört?
Besteht nicht wenigstens die Pflicht,
dass man sich informiert und nicht
leichtfertig irgendwas verbreitet,
was anderen Verdruss bereitet?
Dass der Beklagte so ganz „locker“
erfand das Treiben auf dem Hocker,
er also nicht aus Zeugenmunde
erfuhr die „sexuelle Kunde“,
hat selbst die Klägerin nicht erklärt.
So war es ihm auch nicht verwehrt
die Kunde für sich selbst zu nützen,
hierauf die Kündigung zu stützen.
Die Klägerin hat nämlich nicht
bestritten,dass hier ein Bericht
der Zeugen stattfand, der Beklagte
nur wiedergibt, was man ihm sagte.
Auch dafür, dass die beiden Zeugen
persönlich vielleicht dazu neigen
bewusst die Unwahrheit zu sagen
ward im Prozess nicht vorgetragen.
So musste der Beklagte nicht
misstrauen ihrem Tatbericht
um selbst der Sache nachzugehen
was in der Spielbar so geschehen.

Nur wenn sein Ziel war zu verletzen,
die Klägerin herabzusetzen,
sie zu verleumden, zu entehren
war ihm dies deutlich zu verwehren.
Kurz: es kommt letztlich darauf an,
ob’s der Beklagte selbst ersann,
er also gleichsam phantasierte,
wie sich die Klägerin gerierte.
Und deshalb bleibt auch unergründet,
was sich im Hockerstoff befindet,
und ob die Zeugen sah’n und hörten,
was dem Beklagten sie erklärten
Nein, der Beklagte muss mitnichten
ein hohes Schmerzensgeld entrichten.

2.
Auch unbegründet – ohne Frage
ist hier die Unterlassungsklage.
Die Klägerin hat nicht vorgetragen,
dass der Beklagte sozusagen
nun coram publico beschrieben
was auf dem Hocker sie getrieben.
Nur im Prozess hat er erklärt,
was jetzt die Klägerin empört.
Das durfte er – wie dargestellt,
womit natürlich das entfällt,
was letztlich Grund der Klage war:
die zu befürchtende Gefahr,
dass der Beklagte überall
herumerzählt den „Hockerfall“,
bestrebt ist, unter allen Leuten
was man ihm zutrug zu verbreiten.

Die Kosten, dies bleibt noch zu sagen;
sind von der Klägerin zu tragen.
Der Streitwert war nach den Gesetzen
– wie hier geschehen – festzusetzen.

Die Klägerin legte übrigens gegen das Urteil Berufung ein. Das Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 21.02.2008, Az. 8 Sa 1736/07) hielt die Reimform für nicht angemessen und sah darin einen Verfahrensfehler, der sich in der Sache jedoch nicht auswirkte. Auch hier wurde die Klage abgewiesen.

One Thought to “Kurios – Urteil in Reimform”

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